Dillenburg-Nanzenbach (ul). So sehr, wie der Bergbau das Leben der Menschen in und am Schelderwald geprägt hat, so wenig gab es eine geradlinige Erfolgsgeschichte dieses Wirtschaftszweiges. Er hatte manches Tief wegzustecken, durch die allgemeinen Konjunkturdellen, aber ebenso durch die Konkurrenz der ausländischen Erze, wenn die dem heimischen Markt uneingeschränkt zur Verfügung standen. Waren sie doch von besserer Qualität und konnten zugleich unter deutlich günstigeren Bedingungen abgebaut werden.
Aber für die Bergleute gab es noch ganz andere Schicksalsschläge, die sie zu verkraften hatten. In den Jahren um 1500 war es die Pest, die viele von ihnen dahin raffte, und die ganze Gruben auf Jahrzehnte zum Erliegen brachte. Ein flächendeckendes Aus brachte der Dreißigjährige Krieg mit sich. Es sollte ein halbes Jahrhundert dauern, bis sich der heimische Bergbau davon halbwegs erholt hatte.
Auch wenn die Eisenverhüttung in unserer Heimat zwei Jahrtausende alt war, geriet jetzt ein anderes Erz in den Mittelpunkt: Im Nanzenbachtal blühte die Kupferindustrie auf.
1482 war hier erstmals eine Kupferhütte in Betrieb genommen worden, vermutlich an der gleichen Stelle, an der fast zweieinhalb Jahrhunderte später, im Jahre 1728, die Isabellenhütte neu gegründet wurde - ein Betrieb, der heute noch als wichtiger Arbeitgeber in Dillenburg nicht wegzudenken ist.
Nicht nur in deren Anfängen blieb die Zahl der Arbeitsplätze in der Hütte bescheiden: Bis weit ins neunzehnte Jahrhundert hinein waren hier gerade mal drei Männer beschäftigt. Dennoch war ihre wirtschaftliche Bedeutung nicht gering: Das Kupfer wurde nach Frankfurt, Köln, Iserlohn, Stolberg und Nürnberg geliefert.
Das benötigte Erz wurde gut fünf Kilometer talaufwärts tief im Berg gewonnen. „Neuer Muth", „Gemeine Zeche", „Altelohrbach" und „Neuelohrbach", so lauteten die Namen der größten Gruben, die allesamt nicht weit vom Nanzenbacher Dorfrand in Betrieb waren. Hinzu kam ein rundes Dutzend kleinerer Zechen - insgesamt eine Ansammlung von florierenden Betrieben, die das Dörfchen zum Mittelpunkt des Kupferbergbaus von ganz Nassau werden ließen.
In diesen Gruben, deren tiefster Schacht immerhin schon stolze 150 Meter war und deren Stollen bis zu 400 Meter lang waren, waren freilich deutlich mehr Männer beschäftigt.

Ungemein arbeitsintensiv war auch der Transport zur Hütte. Neben den Erzen musste auch der Energieträger herangekarrt werden, und das war damals ausschließlich die Holzkohle. Um hundert Zentner Erz zu verhütten, wurden fast sechzig Fuhren Holzkohlen benötigt - und diese wollten auch erst einmal erzeugt sein, in den Kohlemeilern, die bis in die zweite Hälfte des vorletzten Jahrhunderts überall in unserer Heimat schwelten.

Die Landwirtschaft stand damals noch im Mittelpunkt des Broterwerbs unserer Vorfahren. Gar mancher Bauer konnte sich aber so ein ordentliches Zubrot als Bergmann, als Fuhrmann oder als Köhler verdienen.

Als Johann Philipp Becher 1789 seine „Mineralogische Beschreibung der Oranien-Nassauischen Lande" veröffentlichte, das für die kommenden Jahrzehnte das Grundlagenwerk für die heimischen Bergleute bilden sollte, widmete er den Nanzenbacher Kupferminen breiten Raum. Der Bergbau auf Eisenerz wenige Kilometer weiter im Schelderwald spielte aus seiner Sicht damals nur eine bescheine Rolle. Das dieser gut hundert Jahre später florieren würde, mit großen Zechen, die zusammen eine vierstellige Zahl von Knappen unter Tage beschäftigen sollten, ahnte selbst dieser Gelehrte vor über zweihundert Jahren nicht annähernd.

Die besagten Kupfergruben sollten noch eine wechselvolle Geschichte erleben. Mit zu den interessantesten Kapiteln gehörte die Zeit, als diese von einer englischen Gesellschaft erworben wurden, und damit nicht nur etliche Briten, sondern auch die moderne Technik in Form einer Dampfmaschine in dieses kleine Dörfchen einziehen sollten. Sie blieben von 1835 bis 1854 in Nanzenbach aktiv (darüber mehr in einem der nächsten Beiträge).

Die Engländer verkauften ihren Besitz dann an einen Franzosen namens Renoc, der schon nach zwei Jahren aufgab. Genau so wenig Furore machten dessen Nachfolger, ein Freiherr von Oevel aus Dortmund und ein Justizrat namens Lesemann aus München. Die Gruben kamen bald zum Erliegen.

Dass die Nazis in den 1940er Jahren die Grube „Neuer Muth" noch einmal in Betrieb nahmen, war nur ein kurzes Nachspiel dieser Epoche. Vor militärstrategischem, aber keinesfalls vor wirtschaftlichen Hintergrund war dieser Versuch zu sehen, noch einmal an das kriegswichtige Kupfererz im eigenen Lande heranzukommen.

Es sollte mehr als ein halbes Jahrhundert vergehen, bis der Nanzenbacher Heimatverein per Pachtvertrag mit dem Dillenburger Rathaus den Zugriff auf das Mundloch eines Stollens bekam, der einst bis zum Schacht der „Neuen Muth" führte. Mit viel Mühen, aber auch mit großzügiger Unterstützung durch die Stadt und durch die EAM, ist die Mannschaft um Dietmar Reeh seit Monaten dabei, ein Denkmal für den Kupferbergbau in unserer Heimat zu errichten. Direkt gegenüber des Dorfgemeinschaftshauses wird es künftig sicherlich auch zur Werbung für unsere Region beitragen.