Eine Geschichte, wie sie in keinem Buch steht

nzb wappen w steinWolfgang Stein, November 2015

Nanzenbach hat ein Wappen, gestaltet mit den Symbolen: Eichenzweig, Schlägel und Eisen sowie einem Bach. Die Nanzenbacher verwenden es für verschiedenste Zwecke, z.B. im Logo der Freiwilligen Feuerwehr. Diese wurde bereits 1899 gegründet und man könnte annehmen, dass auch das Wappen schon seit dieser oder früherer Zeit besteht und deswegen im Logo geführt wird. Doch dies wäre ein Trugschluss, wie sich bei der Suche nach den Hintergründen des Nanzenbacher Wappens herausstellte.

Recherchen zunächst ohne Erfolg

2014 begannen meine Recherchen über das Wappen, um genau diesen Beitrag, den Sie gerade lesen, schreiben zu können. Ich wollte wissen, seit wann das Wappen besteht, weshalb es genau in dieser Form, mit den dargestellten Symbolen, entworfen wurde und vor allem, auf wen es zurückzuführen ist. Diese Suche gestaltete sich länger und schwieriger als Gedacht. Zunächst versuchte ich in der Dillenburger Stadtbücherei fündig zu werden. Nach der Durchsicht von alten Heimatbüchern und thematisch passenden Büchern, wie z.B. „Dillenburg und seine Stadtteile im Wandel der Zeit“ mit einem Kapitel über Nanzenbach von Jürgen Horch (1983) oder „Dillenburgs Entwicklung seit die Grafen von Nassau auf dem Dillenberg eine Burg errichten ließen“ von Rolf Teutsch (1998), stellte sich heraus, dass es hinsichtlich des Wappens keine oder kaum Informationen gab.
Auch eine Nachfrage beim Dillenburger Stadtarchiv verlief relativ erfolglos. Es scheint keine Aufzeichnungen zu geben, wann, wie und weshalb Nanzenbach sein Wappen erhielt. Nur so viel konnte man mitteilen: Der silberne Strich in der Mitte sei der Nanzenbach, unten links sei das Zeichen des Bergmannes abgebildet, weil Nanzenbach eben ein Bergmannsdorf war. Und das Eichenlaub wäre auf ein früheres Vorhandensein von Haubergen zurückzuführen. Der blaue Grund des Schildes sei frei gewählt worden.
Diese Erklärung war mir nicht genug und zumindest in dem Punkt der Hauberge war ich mir ziemlich sicher, dass es nicht stimmt, wie die Rücksprache mit dem Lokalhistoriker Uli Horch (Bruder des o.g. Autors Jürgen Horch) bestätigte. Aber auch der blaue Schild sollte eine andere Bewandtnis haben, wie sich im weiteren Verlauf der Recherche zeigen sollte.

Glücklicher Zufall bringt Nachforschungen voran

Immer noch unwissend über den genauen Sachverhalt zur Entstehung begann ich mit verschiedensten Leuten aus dem Dorf über das Wappen und meine diesbezüglichen Fragen zu sprechen, doch niemand wusste mir so recht Auskunft zu geben. Ein glücklicher Zufall führte mich zu den Antworten. Oliver Nickel, derzeitiger Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr Nanzenbach, konnte mir etwas mehr über die Geschichte sagen. Er kam vor einigen Jahren durch seine berufliche Tätigkeit mit Rudi Schäfer aus Nanzenbach in Kontakt, der ihm eine Kurzfassung der Entstehung des Wappens erzählte. Mit diesem Hinweis konnte ich, zusammen mit Uli Horch, Rudi Schäfer genauer zu den Gegebenheiten befragen und heute die folgenden Erkenntnisse veröffentlichen.

Voraussetzungen für das neue Wappen

Nach der Zeit, als die Gemeinden Eibach (1.10.1971), Manderbach (31.12.1971) und Nanzenbach (1.4.1972) freiwillig ihre Selbstständigkeit aufgegeben hatten und sich in die Verwaltung der Stadt Dillenburg eingliederten, wie es 6 Jahre Später am 1. Januar 1977 auch die Gemeinden Donsbach, Frohnhausen, Niederscheld und Oberscheld im Rahmen der Gebietsreform in Hessen mussten, wurde Rudi Schäfer 1977 bei der Stadt Dillenburg angestellt. Seine berufliche Laufbahn führte ihn nach der Schulausbildung in eine Lehre zum Schreiner und später in eine Umschulung zum Bauzeichner. Mit diesen Fähigkeiten ausgestattet, wurde er vom damaligen Bürgermeister Gerhard Beermann (Amtszeit 1954-1984) beauftragt, alle Wappen der Stadt Dillenburg und deren jetzigen Ortsteile in einer einheitlichen Größe zu zeichnen, da sie bis dahin nur in unterschiedlichen kleinen Formaten vorlagen.

Hintergrund für diesen Auftrag war die Neugestaltung des heutigen Magistratszimmers im Rathaus an der Dill. Beermann wollte alle Wappen als Intarsien in dem prachtvoll ausgekleideten Zimmer in einheitlicher Größe und Qualität aufhängen lassen.

Stadtteilwappen entstanden zu unterschiedlichen Zeitpunkten

Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits das Wappen der Stadt Dillenburg aus dem Jahr 1907 (Entwurf Prof. A. M. Hildebrandt, Berlin) welches seit 1927 in einem Wappenfries über dem Eingang des Rathauses angebracht ist. Auch Donsbach (1959), Niederscheld (1967) und Eibach hatten bereits ihre eigenen Wappen, die von Rudi Schäfer aus kleinen Vorlagen in großformatige Reinzeichnungen übertragen wurden. Die ehemaligen Gemeinden Frohnhausen und Oberscheld verfügten bis dato lediglich über Entwürfe, die von Rudi Schäfer in Absprache mit Beermann übernommen wurden. Die verbleibenden Ortsteile Manderbach und Nanzenbach hatten damals weder fertige Wappen noch erste Entwürfe vorzuweisen. Somit war Rudi Schäfers Stunde geschlagen.
Er hatte die Aufgabe, zwei gänzlich neue Wappen zu entwerfen, die Beermanns Zustimmung finden sollten.
Wappen Manderbach | Quelle: dillenburg.deDie Gestaltung des Manderbacher Wappens war noch einfach, da er von Bürgermeister Beermann die recht genauen Vorgaben erhielt, die in Manderbach als Naturdenkmal ausgewiesene Eiche zusammen mit dem namensgebenden Gewässer auf das Wappenschild zu bringen.

Sechs Entwürfe aus der Feder des Nanzenbachers

Für Rudi Schäfers Heimatort Nanzenbach gab es jedoch keine Vorgaben, so dass er in seiner Gestaltung vollkommen frei war. Zunächst war die Grundform des Wappenschildes auszuwählen. Diese leitete sich aus den bereits vorhandenen Wappen und Entwürfen der übrigen Stadtteile ab. Deren Aufriss ist wiederrum auf die Grundform des Kommunal- und Familienheraldikers Heinz Ritt (1918-2010) aus Bad Nauheim zurückzuführen, der zahlreiche hessische Wappen, wie z.B. das der Gemeinde Niederscheld, damit gestaltete.
Bei der Auswahl der Elemente auf dem Wappenschild orientierte er sich an natürlichen Gegebenheiten und an der Geschichte unseres Bergmannsdorfes Insgesamt entwarf er sechs verschiedene Wappen. Der erste Entwurf enthielt als Elemente einen Bachlauf, ein Geleucht, Schlägel und Eisen sowie einen Eichenzweig. Aus diesem Entwurf entwickelten sich vier weitere, die jeweils Eines oder mehrere Elemente daraus aufgriffen und um den Eschenburgturm, ein Mundloch oder die Chemischen Zeichen für Eisen und Kupfer ergänzt wurden. Im finalen Entwurf finden sich bis auf die Grubenlampe alle Elemente wieder und stehen seither für das Dorf auf dem Wappen.

Die einzelnen Elemente der Entwürfe und deren Bedeutung:

Bachlauf
Symbol für den Nanzenbach, der als Meerbach unterhalb des Eiershäuser Sportplatzes entspringt und oberhalb unseres Dorfes zum Nanzenbach wird.

Eichenzweig
Symbol für das als „Eichehecke“ bezeichnete Stück der Nanzenbacher Gemarkung im Schelderwald.

Schlägel und Eisen
Das Handwerkszeug [nicht nur] der Nanzenbacher Bergmänner, die damit in mühevoller Arbeit das Erz aus dem Berg schlugen.

Geleucht
Abbildung einer Bergmannslampe, in der Calciumcarbid mit Wasser beträufelt und das, durch eine chemische Reaktion, entstehende Gas (Acetylen) zum Brennen gebracht wird.

Mundloch
Beispiel eines waagrechten Stollens mit Schienen für die Loren, mit denen das Erz aus dem Berg gefahren wurde.

Chemische Zeichen
Hinweis auf den Abbau von Eisen- (Fe) und Kupfererz (Cu) in der Nanzenbacher Gemarkung sowie im gesamten Bergbaugebiet Schelderwald.

Eschenburgturm
43 Meter hohes Denkmal mit Aussichtsplattform. 1934-1936 von den Nazis zu Ehren des deutschen Bergmanns gebaut und als Funkturm genutzt. Er wurde am 23. März 1945 von amerikanischen Jagdbombern in Brand geschossen.

Heraldik als Bauplan des Wappens

Bei all seinen Entwürfen orientierte sich Rudi Schäfer an der Heraldik, die die Gestaltung der Elemente eines Wappens regelt und nach dessen Grundlagen das für Nanzenbach neu entworfene Wappen richtig ist. Einzig die Tingierung ist in einem Element unheraldisch, da sie normalerweise in der Darstellung eines silbernen Flusses keine silberne, sondern eine weiße Einfärbung vorsieht.

Den Wappenschild des finalen Entwurfes hatte Rudi Schäfer zunächst in einem rötlichen Farbton vorgesehen, um an das eisenhaltige Erz und dessen Rotfärbung zu erinnern. Bürgermeister Beermann lehnte diesen Vorschlag jedoch ab, da sich das Wappenschild mehr auf das Haus der Grafen von Nassau beziehen und daher in blau ausgeführt werden sollte.

Die Blasonierung des Wappens (redende, wörtliche Beschreibung) fällt laut der Deutschen Wappenrolle, HEROLD - Verein für Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften zu Berlin, wie folgt aus:

In Blau ein silberner Wellenschrägbalken, begleitet oben von einem dreiblättrigen goldenen Eichenzweig mit zwei Früchten, unten von dem schräggekreuzten goldenen Bergmannsgezäh (Schlägel und Eisen).

Im deutschen Heraldik-Forum spricht man sich wie folgt aus.

In Blau ein schrägrechter silberner Wellenbalken mit schwarzem Wellenschlag, oben ein goldener Eichenast mit drei Blättern und zwei Früchten, unten schräg gekreuzt ein goldener Schlägel und ein goldenes Eisen.

Ein ehrwürdiger Abschluss

2015 11 07 dp wappen nzb uli horchEntsprechend den Reinzeichnungen und den neuen Entwürfen von Rudi Schäfer wurden von Gerhard Beermann die Intarsien in Auftrag gegeben und im Magistratszimmer angebracht, wo sie auch heute noch zu sehen sind.

Die Geschichte des Wappens wurde von Uli Horch für einen journalistischen Beitrag mit weiterführenden, historischen Gesichtspunkten, in der lokalen Presse aufbereitet.

Er ist sowohl auf mittelhessen.de als auch mit Klick auf das Bild verfügbar.